Die Bild titelt die „Größte Herausforderung seit dem 2. Weltkrieg“. Seit Tagen und Wochen sind der Krieg in Syrien, die Situation in Afghanistan, die anhaltenden Proteste in Lateinamerika und viele weitere Nachrichten in den Hintergrund getreten. Und auch die Situation in den Flüchtlingslagern vor den Toren Griechenlandsscheint nun vom Tisch zu sein, man hat ja nun auch einen Vorwand, die Grenzen zu schließen.

 

SARS-CoV-2, kurz Corona, ist in aller Munde, nirgends ist man mehr sicher. Doch!, schreit so mancher Politiker. Doch, zu Hause! Die Empfehlungen, sich doch bitte innerhalb der eigenen vier Wände aufzuhalten, steigen seit Tagen ins beinahe Unermessliche. Dadurch soll die Zahl der Ansteckungen reduziert werden und so das völlig überlastete Gesundheitssystem, das über Jahre kaputt gespart wurde, hinterher kommen. Doch warum sind derart radikale Maßnahmen überhaupt notwendig? Wenn das Gesundheitssystem im Allgemeinen ausreichend ausgestattet wäre, wäre es möglich, eine erhöhte Anzahl Erkrankter zu versorgen, ohne das ganze Land in Stillstand zu versetzen. In den bürgerlichen Medien wird dies damit unterstützt, dass die Krankheit als die schlimmste Katastrophe seit langem dargestellt wird.

 

Was ist nun die wirkliche Katastrophe, worum besteht die Krise, von der die Herrschenden sprechen? Die Pandemie breitet sich im Vergleich zu vielen anderen Krankheiten über die zentralen Handelsketten des Imperialismus aus, kann also im schlimmsten Falle einen Großteil des Warentransportes zum Erliegen bringen – daher ist das wichtigste Interesse der Bourgeoisie den Warenverkehr und die Produktion aufrechtzuerhalten, und so gelten sämtliche Beschränkungen beispielsweise nicht für Pendler. Die immer wieder aufgeschobene Wirtschaftskrise droht jetzt mit aller Härte zuzuschlagen. Doch die herrschende Klasse haben sich auch diesmal wieder ein umfassendes Maßnahmenpaket überlegt. Und das ist, wie könnte es anders sein, nichts anderes als die Abwälzung der Krise auf die Massen. Denn wer zahlt in diesem Land die Steuern, von denen die Unternehmen unbegrenzte Kredite erhalten sollen? Die Massen. Wer leidet unter massiver Kurzarbeit und Entlassungen, wenn Aufträge ausbleiben? Die Arbeiterklasse. Wer darf in Zukunft die Rechnung zahlen, wenn Supermärkte nun ganz legal Preisabsprachen treffen dürfen, wenn die gelben Gewerkschaften auf Arbeitskampf verzichten und schlechte Deals mit dem Klassenfeind schließen. Die Arbeiterklasse! Jeder Eingriff in demokratische Rechte scheint gerechtfertigt im Angesicht einer Pandemie wie dem Corona-Virus. Was wäre praktischer, als unter dem Deckmantel der Pandemie die Wirtschaftskrise abzuwickeln, ohne die Furcht vor gewerkschaftlichen Kämpfen oder großen politischen Protesten. Denn wer dank Ausgangssperre zuhause sitzt, kann nicht rebellieren.

 

Blieb es anfangs der Woche noch bei Empfehlungen zu Hause zu bleiben, soziale Kontakte zu reduzieren und Abstand zu halten, gibt es jetzt die ersten Ausgangsbeschränkungen. Seit Tagen wird in dieser Frage öffentliche Meinung geschaffen, vor allem durch die bürgerliche Presse und Politiker aller bürgerlichen Parteien. Dies wird weitergetragen in die sogenannten „sozialen Medien“. Und die Angstmache fruchtet. In den Vierteln der Bourgeoisie und Kleinbourgeoisie wirken die Straßen wie leergefegt. Es kursieren Hashtags, unter denen vorzugsweise Kleinbürger erzählen, dass das bisschen Homeoffice ja gar nicht so schlimm und Skypen doch auch eine wunderbare Sache sei, um das soziale Leben weiter aufrecht zu erhalten. In den Arbeitervierteln zeigen sich allerdings auch viele unbeeindruckt. Als in Bayern die Ausgangssperren von Ministerpräsident Söder verhängt werden, sagt dieser, dass sich für die Vernünftigen nicht so viel ändere, es aber für die Unvernünftigen nun ein genaues Regelwerk geben würde. Und weiter: „Das Ganze ist doch jetzt ein Charaktertest für unser Land, wie immer in schlechten Zeiten.“ Und wodurch ist der „deutsche Charakter“, bzw. die psychische Wesensart der Deutschen am meisten geprägt? Untertantentum und Beamtentum. Heißt der gute deutsche Untertan ist vernünftig und tut das, was die Obrigkeit ihm sagt. Und die Unvernünftigen, die sich dem nicht beugen wollen? „Wenn sich die Menschen dran halten, dann brauchen wir keine Ausgangssperren. Wenn es allerdings so weitergeht, dass es einige gibt, die sich unverantwortlich verhalten auf Kosten derjenigen, die besonders verletzbar sind, der Älteren, der chronisch Kranken, dann werden wir auch in Deutschland nicht drumherum kommen“ sagte Katarina Barley, Vizepräsidentin des EU-Parlaments.Frei nach dem Motto: „Wer nicht hören will, muss fühlen!“ Diejenigen, die ein Interesse daran haben, dass dieser bürgerliche Staat weiter existiert, tun bekanntlich alles, um ihn am Leben zu halten und damit auch ihre Existenz zu retten. Wie viele Kleinbürger regen sich gerade auf, dass die Menschen noch draußen sind? Dass es Menschen wagen, mit ihren Kindern auf den Spielplatz zu gehen? Oder dass Jugendliche keine Lust haben, im Zimmer zu hocken und stattdessen raus gehen und sich mit Freunden treffen? Appelle an die „Vernunft“ der Menschen, die ihr soziales Leben beibehalten wollen, die raus müssen, weil sie körperlich arbeiten müssen, werden verbreitet. Aber haben sich diese Beamten auch Gedanken gemacht, wie es ist, mit drei schulpflichtigen Kindern in einer 2,5-Zimmerwohnung den ganzen Tag zu sitzen, wo einem schon nach einigen Stunden die Decke auf den Kopf fällt? Hier wird der Klassencharakter der Ausgangssperren sichtbar. Denn während Bourgeoisie und Teile des Kleinbürgertums in Einfamilienhäusern, Villen und Anwesen mit parkähnlichen Gärten ihren Luxus genießen, bleibt dem Proletarier nur seine kleine Wohnung im achten Stock.

 

Ja, diese Kleinbürger fordern dann natürlich neben den Herrschenden eine Ausgangssperre, denn, so sagte Söder auch: „Wir müssen alle Menschen schützen, auch manche vor sich selbst.“ Und hier zeigt sich auch eine der Auswirkungen des Patriarchats, denn wo die Kinder aufgrund von Schul- und Kitaschließungzuhause betreut werden müssen, kann man sich ja überlegen, wer eher Zuhause bleibt - die Mutter, die in Teilzeit beschäftigt ist, oder der Mann mit dem in der Regel höheren Einkommen. Und was ist mit den Alleinerziehenden? Kitabetreuung gibt es ja jetzt nur noch für die sogenannten „systemrelevanten“ Berufe. Und die Abwesenheit kollektiver Lösungen ist die Regel, denn statt zum Beispiel Atemmasken, Handschuhe und Desinfektionsmittel zur Bekämpfung der Ausbreitung des Viruskostenlos bereitzustellen, sollenalle zu Hause bleiben. Jeder kämpft für sich allein; statt gemeinsam im Kollektiv eine Lösung zu finden, wird Individualismus gepredigt.

 

Der Kampf gegen dieses verrottende System muss weiter geführt werden, egal ob Coronakrise oder nicht, denn für die Unterdrückten dieser Welt ist jeder Tag im Imperialismus eine Krise. Im Zuge des Coronavirus scheint zudem jede Maßnahme gerechtfertigt, so wird die Militarisierung schleichend voran getrieben, der Ausnahmezustand wird zur Normalität.

 

Corona als Vorwand für Alles

 

Nun, nachdem Bayern Ausgangs“beschränkungen“ verhängt hat, ziehen auch weitere Bundesländer mit Einschränkungen u.a. im Versammlungsrecht nach. Sogenannte demokratische Freiheiten des bürgerlichen Staates werden ausgehebelt, es ist sogar schon vom Katastrophenfall in Bayern die Rede. Das ist auch erst mal Ländersache im deutschen Föderalismus, denn so schreibt die Frankfurter Rundschau:

 

Eine Ausgangssperre an sich gibt es in Deutschland nicht. Meines Erachtens gibt es dafür auch keine gesetzliche Regelung“, erklärt ein hochrangiger Jurist im Gespräch mit der Ippen Digital Zentralredaktion: „Sollte es allerdings in Deutschland so weit kommen - wie jetzt in Frankreich - dann könnte/müsste der Bund ein entsprechendes Gesetz erlassen. Oder eine Verordnung, die auch ausreichend sein dürfte.“ (Hervorhebungen im Original)

 

Es geht bei der Frage der Ausgangssperren nicht darum, dass Menschenleben geschützt werden. Die sind den Herrschenden in der Regel egal, solange sie wie gewohnt weiterherrschen können. Hätten sie nicht sonst seit Jahren das Gesundheitssystem besser ausgestattet und in Pflegeberufen für einen Lohn gesorgt, von dem man auch leben kann? Hier zeigt sich, dass das Coronavirus als Vorwand genutzt wird, um Aufstandsbekämpfung zu üben. Das Wirtschaftssystem soll weiterlaufen, jede andere Form von Kollektivität und Möglichkeit, sich zu organisieren wird durch die Ausgangssperre untersagt, und der Repressionsapparat hat die Gelegenheit, die Grenzen auszutesten.Die Eingriffe richten sich vor allem gegen jene, die sich nicht von Annegret Kramp-Karrenbauer diktieren lassen wollen, dass sie „jetzt höchste Disziplin wahren“ müssen, wenn sie keine Ausgangssperren haben wollen. Und da zeigt sich, dass es unwahr ist, was Armin Laschet (Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen) sagte: „Jeder Einzelne hat es in der Hand zu verhindern, dass es Ausgangssperren gibt“.

 

Der Punkt bei der ganzen Diskussion über Ausgangssperren ist doch, wie eingangs geschrieben, dass das Leben in den Arbeitervierteln nahezu normal weiterläuft und die Massen einfach nicht auf das hören wollen, was die Herrschenden ihnen sagen. Zeit also, dass der bürgerliche Staat zeigt, wer hier das sagen hat. Angela Merkel sagte weiter in ihrer Rede, dass die jetzige Situation doch zeige, „wie verwundbar wir alle sind, wie abhängig von dem rücksichtsvollen Verhalten anderer“. Nein. Die Herrschaft der Bourgeoisie ist abhängig davon, dass die Massen sich ihnen gegenüber rücksichtsvoll verhalten.

 

Und dass die Massen nicht darauf hören, was der bürgerliche Staat versucht, ihnen zu diktieren, zeigt sich bereits jetzt. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass selbst, wenn eine Ausgangssperre national ausgerufen wird, die Menschen auf die Straße gehen, vor allem die Jugend. Heißt, der bürgerliche Staat muss andere Geschütze auffahren, und so wird auch schon seit einiger Zeit von Kramp-Karrenbauer in den Raum geworfen, die Bundeswehr im Inneren zu nutzen. Das lässt sich allerdings nur mit einem Katastrophenfall rechtfertigen, denn der rechtfertigt eine Katastrophenhilfe. Und das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe schreibt dazu:

Katastrophenhilfe ist eine Hilfeleistung des Bundes bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall auf Anforderung des betroffenen Bundeslandes oder bei Gefährdung von mehr als einem Bundesland durch Bundespolizei, Streitkräfte oder Kräfte anderer Verwaltungen auf Grundlage von Artikel 35 Absatz 2 Satz 2 und Absatz 3 Grundgesetz“.

 

Zu einer Ausgangssperre käme dann noch die Omnipräsenz der Bundeswehr, und diese sicherlich in den Vierteln, wo die Menschen sich weigern, die Ausgangssperre umzusetzen. Hier geht es ganz konkret um Maßnahmen zur Unterdrückung der Arbeiterklasse und ihrer Rebellion. Es wird ganz konkret dafür gearbeitet, ein Schreckensszenario aufzubauen, unter dessen Deckmantel die Bourgeoisie ihre Maßnahmen zum Ausnahmezustand, wie es z.B. während eines Krieges wäre, zu rechtfertigen. Aber wozu nun das ganze, wenn wir doch eine Gemeinschaft sind, in der jeder Mensch zählt, wie Angela Merkel es in ihrer Rede sagt? Solidarisch soll man sich plötzlich verhalten in dieser Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die auf Ausbeutung und Unterdrückung aufgebaut ist. Plötzlich soll gedacht werden an die Altenpfleger, an die Krankenpfleger, an die Supermarktkassierer. Sonst gibt es keine Anerkennung dafür, dass sie knallharte Knochenjobs machen, aber jetzt in der „Krise“ sind sie Helden des Alltags.

 

Die Bourgeoisie hat Angst, denn sie weiß genauso wie die Massen, dass das Gerede über eine Gemeinschaft, in der jeder gleich viel wert ist, eine Lüge ist. Darum versucht sie auch mit allen möglichen Mitteln, eine Verschärfung des Klassenkampfes in der BRD zu verhindern. Zum einen durch die Stützung des monopolistischen Finanzkapitals durch Hilfspakete und unbegrenzte Kredite. Zum anderen durch das Einschwören der Massen auf die angeblich notwendige Einschnitte (Kurzarbeit usw.) aufgrund der ökonomischen Krise und auf die Parole „Alle gegen das Virus“. Aber der Stein, den sie erhoben haben, wird ihnen selber auf die Füße fallen. Ausgangssperre, Kurzarbeit, Entlassung, Überwachung, Militarisierung und dergleichen mehr werden über kurz oder lang zu zunehmenden Konfrontationen der Massen mit dem imperialistischen System führen. Die Entwicklungsgesetze der menschlichen Gesellschaft werden durch ein Virus nicht außer Kraft gesetzt.

 

Ob Pandemie oder nicht – die Rebellion ist gerechtfertigt!