Am gestrigen Mittwoch gab die Berliner Landesregierung nach wochenlanger Debatte über ein Demonstrationsverbot bekannt, dass eine für Samstag angemeldete Demonstration, eine sogenannte „Hygienedemo“, verboten wird – in Reihe mit allen anderen Demonstrationen und Versammlungen in der Stadt. Als Grund wurde angegeben, dass auf der Demonstration mit massiven Verstößen gegen die geltende Verordnung des Landes nach dem Infektionsschutzgesetz zu rechnen sei. Während sich einige vielleicht freuen mögen, dass diese Demonstration, die insgesamt von verschiedenen reaktionären Kräften unterschiedlicher Couleur angeführt wird und zu der auch offene Faschisten mobilisieren, verboten wurde, sollte das Verbot genauer unter die Lupe genommen werden und wie immer der konkrete Fall in der konkreten politischen Situation beleuchtet werden.
Denn was passiert hier in diesem konkreten Fall, in dem eine Demonstration unter Berufung auf das Infektionsschutzgesetz einfach verboten wird? Ersteinmal gibt es (mal wieder) außer der schwammigen Berufung auf das Infektionsschutzgesetz keinen (selbst nach bürgerlichem Recht nicht) Grund die angemeldete Demonstration zu verbieten. Weil mit „etwas zu rechnen“ ist, heißt es nicht, dass überhaupt eine Grund vorliegt, der ein Verbot rechtfertigt. Denn es sind keine Straftaten im Rahmen der Organisierung der Demonstration begangen worden und es gibt auch keine Meldungen darüber, dass hier tatsächliche Straftaten im Rahmen der Demonstration geplant sind. Das heißt was hier passiert ist eine Negierung der bürgerlichen Demokratie, in der – zumindest laut Verfassung des deutschen Staates – die Versammlungsfreiheit ein hohes Gut sein sollte. Somit wird der Angriff auf die demokratischen Rechte, die sich das Proletariat und das Volk in diesem Land mit Blut erkämpft haben, weiter fortgesetzt und was bereits im März mit der Ausrufung des Ausnahmezustands eingeleitet wurde, wird weiter voran getrieben.
Der Staat schafft mit dem Verbot dieser Demonstration einen Präzedenzfall. Denn die Möglichkeit, unter Berufung auf eventuelle Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz eine Demonstration zu verbieten, ist keine Sache, die sich auf Demonstrationen, die von reaktionären Kräften geführt werden, begrenzt. Somit schafft der Staat einen Präzedenzfall, der von wenigen als schlimm betrachtet und von einigen sogar bejubelt wird, aber der sich ohne weiteres in Zukunft auch gegen jede Demonstration von revolutionären, progressiven oder sogar gewerkschaftlichen Kräften anwenden lässt. Das heißt jede Demonstration hinter der die Repressionsbehörden des deutschen Staates künftig angebliche „Verstöße gegen die Verordnung nach Infektionsschutzgesetz“ vermuten können (und dass kann mit etwas schlechtem Willen grundsätzlich jede Demonstration, Kundgebung und ähnliches sein), kann künftig einfach verboten werden. Das bedeutet die Versammlungsfreiheit ist abgeschafft und noch mehr dem guten (oder eben nicht so gutem) Willen der Exekutive ausgesetzt. Ergo eben eine Negierung der bürgerlichen Demokratie.
Für all jene die dieses Verbot feiern, sollte das vielleicht ein Denkanstoß sein. Und es muss auch deutlich gesagt werden, dass dieses Verbot nicht einem Verbot einer faschistischen Demonstration gleich kommt, die vor allem wegen des erwarteten antifaschistischen Widerstands verboten wird, da der Staat und seine Polizei die sichere Durchführung nicht gewährleisten können, wie es in ein paar Städten in der BRD schon einige Male der Fall war. In diesem konkreten Fall ist nichts dergleichen zu erwarten und das Verbot dient vor allem dem deutschen Staat seinen oben beschriebenen Präzedenzfall zu schaffen, also seine reaktionäre Politik weitere voran zu treiben.
Wie mit den sogenannten „Hygienedemos“ aus revolutionärer Sicht umgegangen werden sollte kann man hier nachlesen.