Am Samstag vor acht Tagen beteiligten sich hunderte Menschen an einer großen antifaschistischen Demonstration in Freiburg. Nachdem die Polizei die Demonstration angegriffen hatte, wehrte sich diese entschlossen, wobei einige Polizisten verletzt wurden. Ein Redakteur der bürgerlichen Lokalpresse schrieb daher einen Kommentar, in dem er den gerechtfertigten Kampf der Antifaschisten verurteilt.
Bereits einen Tag nach der Demo veröffentlichte Peter Disch in der Badischen Zeitung seinen Kommentar unter dem Titel „Es ist fatal, dass Freiburgs Antifa nicht von der Gewalt lassen will.“


Als guter Apologet der bürgerlichen Ordnung bringt er erst ein bisschen Anteilnahme für die Betroffenen zum Ausdruck und gibt sich entrüstet über die zwei Angriffe und die Rolle, die die Polizei dort zu spielen hat:
„Diese [die Antifa] hatte gute Gründe, am Samstag auf die Straße zu gehen. Wenn ein AfD-Vertreter einen Mann mit einem Messer verletzt, wenn ein Ausländer massiv bedroht wird, beides am 12. Juni, darf das nicht folgenlos bleiben. […]Dass zwei Polizeibeamte an dem erwähnten, mutmaßlich rassistischen Vorfall beteiligt waren, sorgte für zusätzliche Brisanz.“
Soweit, so gut. Warum ein Übergriff, der mit „Ausländer raus!“-Rufen begann lediglich „mutmaßlich rassistisch“ ist, erschließt sich wohl den wenigsten. Allerdings, er sagt, dass diese Angriffe nicht ohne Folgen bleiben dürfen. Worüber Herr Disch allerdings nicht spricht ist die Tatsache, dass derlei Angriffe im Allgemeinen keine Folgen nach sich ziehen, insbesondere wenn Polizisten involviert sind. Das zeigt sich auch an der Strategie der Geheimhaltung, die die Freiburger Polizei auf den zweiten erwähnten Vorfall angewandt hat.
Ähnliche Angriffe passieren tagtäglich in deutschen Arbeitervierteln und werden von Polizisten nicht nur außerhalb sondern auch und vor allem im Dienst verübt. Sie schikanieren die Massen, kontrollieren wahllos Menschen, weil sie die „falsche“ Hautfarbe haben und wenn jemand Widerworte gibt, schlägt man ihn einfach zusammen. Sollte jemand dann auf die Idee kommen, Anzeige gegen die involvierten Beamten zu stellen, werden nicht die verurteilt sondern er selbst.
Wir können Herr Disch natürlich auch einige drastischere Beispiele für die Narrenfreiheit der Bullen nennen. Für den Mord an Oury Jalloh im Jahr 2005 wurde bis heute niemand zur Verantwortung gezogen. Die Schweine, die Adel B. erschossen haben, sind auch heute noch auf freiem Fuß. Und machen wir uns nichts vor: Die Polizeihauptkommissare, die sich am 12. Juni an einer rassistischen Hetzjagd beteiligt haben werden erst recht nicht mit ernsthaften Konsequenzen rechnen müssen.
Nachdem er also seine Sympathie für das Anliegen der Demonstration zum Ausdruck gebracht hat, geht Herr Disch dazu über, der Demonstration dann doch ihre Legitimität abzusprechen, weil diese durch das Bestehen auf der von den Teilnehmern geplanten Route Gewalt und Verletzte in Kauf genommen habe. Er spricht von einer Attacke auf die Polizisten und ignoriert, dass diese die Demonstration von Anfang an schikanierten und durch Gewaltanwendung zum Stehen bringen wollten.
Sein Kommentar endet dann mit folgender Moral:
„Der Staat hat die freie Meinungsäußerung trotzdem möglich gemacht. Das belegt, was Antifa und Autonomie negieren: Unsere Demokratie ist intakt.“
Zunächst müsste Herr Disch spezifizieren, was er mit „unsere Demokratie“ meint. Denn niemand negiert die Funktionalität des bürgerlich parlamentarischen Systems. Im Gegenteil, als Marxisten wissen wir, dass die demokratische Republik die „denkbar beste Hülle“ des Kapitalismus ist.
Wir negieren nicht, dass die bürgerliche Demokratie intakt ist. Herr Disch negiert den Klassencharakter des Staates.
Es ist genau wie er sagt. Seine Demokratie, soll heißen, die Demokratie der Ausbeuter funktioniert ganz hervorragend. Aber es ist eben eine Demokratie nur für die Bourgeoisie. Dieser Staat dient nicht unseren Interessen und er wird es nie. Solange es Demokratie für die Bourgeoisie gibt, gibt es keine für das Proletariat.
Der Pazifismus, den der BZ-Redakteur hier propagiert, ist also auch dementsprechend verlogen. Entsprechend seines Klassenstandpunkts spricht er nur von der „linken“ Gewalt, nicht aber von der Gewalt, die der bürgerliche Staat jeden Tag gegen die Massen einsetzt, nicht von der Gewalt, die der deutsche Imperialismus in den unterdrückten Nationen entfaltet.
Sein Problem ist nicht die Gewalt, sondern gegen wen sie sich richtet. Wenn sich die Gewalt gegen die Arbeiter und gegen die unterdrückten Völker richtet, dann schreibt Herr Disch keine Artikel. Wenn die Freiburger Bullen mal wieder einen Ausländer verprügeln, bekommt er das wahrscheinlich nicht mal mit.
Wenn aber einige Antifaschisten zurückschlagen und sich gegen Polizeischikane wehren, dann ist das ein großer Skandal und es muss dringend noch mal jemand sagen, dass Gewalt ja kein Mittel zur politischen Auseinandersetzung sei.
Aber Gewalt ist ein Mittel, dessen sich die Herrschenden jeden Tag bedienen. Ihre ganze ausbeuterische Ordnung wird nur aufrecht gehalten durch Gewalt und sie wird nicht fallen ohne Gewalt. Der Kampf, den Herr Disch hier verunglimpft, hat sich nicht gegen Unschuldige gerichtet, sondern gegen die Lakaien des bürgerlichen Staats. Gegen uniformierte Schläger, die ihre rassistischen Kollegen schützen und oft genug unter Beweis gestellt haben, dass sie erbitterte Feinde jeder fortschrittlichen Bewegung sind. Dass Freiburger Antifaschisten nicht von der Gewalt lassen wollen ist also nicht „fatal“ sondern der einzig richtige Schluss.