Anfang September hat die Ampelkoaltion ihr „drittes Entlastungspaket“ zusammengestellt. Nachdem Studenten in den ersten beiden „Entlastungspaketen“ größtenteils leer ausgegangen waren – es gab bisher nur einen Heizkostenzuschuss wenn man BAföG bekommt – hagelte es über Monate massive Kritik an der Regierung. Diese hatte entsprechend mit dem „dritten Entlastungpaket“ den großen Wurf zur Unterstützung von Studenten angekündigt. Viel kommt dabei aber nicht herum: 200 Euro Einmalzahlung soll es geben und diese für viele Studenten vermutlich erst im nächsten Jahr. Dazu ist teilweise noch nicht einmal geklärt, wie die Studenten überhaupt dieses Geld erhalten. Unabhängig der Rettungspakete ist zwar für das kommende Jahr eine Erhöhung des BAföGs geplant, die vorgesehen 5% beträgt, aber angesichts der aktuellen Inflation natürlich ein Witz ist. So ist es wenig verwunderlich, dass nach aktuellen Studien ca. 30% aller Studierenden in der BRD von Armut betroffen sind.

Mit Anlass des „dritten Rettungspaketes“ haben wir einen Brief einer Leserin bekommen, die Anhand eines Interviews mit einer Kommilitionin die aktuelle Situation unter den Studenten etwas verdeutlicht:

 

Du studierst jetzt seit zwei Jahren in einer Großstadt in Deutschland und man muss nicht weiter erwähnen, dass da wo wir wohnen eine verdammt teure Stadt ist. Wie hast du das Leben in dieser Stadt in Bezug auf deine finanzielle Situation in den letzten zwei Jahren empfunden?

Ziemlich anstrengend. Es ist quasi unmöglich, sich einfach mal keine Gedanken übers Geld zu machen. Früher habe ich immerhin noch Bafög bekommen, aber aktuell habe ich keinen Anspruch mehr darauf. Ich war die letzten zwei Jahre natürlich immer arbeiten neben der Hochschule, logisch, aber bei unserem vollen Stundenplan ist das auch nicht grade leicht. Trotzdem hat es nie gereicht.

Früher musste ich nie krass aufs Geld gucken. Dann war es plötzlich aber immer häufiger so, dass ich mir Sachen, die für mich selbstverständlich waren, nicht mehr leisten konnte oder dass ich mir Geld von Freunden leihen musste. Die machen das natürlich gerne, wenn sie können, aber es ist einem natürlich trotzdem verdammt unangenehm. Meine Wohnung – eine WG – ist echt teuer, umziehen ist dann aber auch wieder sauteuer und man muss ja auch erstmal suchen können und dann auch was finden. Es ist schon ein Teufelskreis.

Die Situation für Studenten, die nicht aus reichen Familien sind, ist ja seit langem sehr angespannt und wird im aktuellen wirtschaftlichen Klima in der BRD natürlich noch schlechter. Fühlst du dich von dem Staat in dieser Frage unterstützt?

Um trotz fehlendem Bafög meinte Miete bezahlen zu können, habe ich sehr auf ein Stipendium der Hochschule gehofft, das an Studierende in finanziell schwieriger Lage geht. Ich habe das aber nicht bekommen und wusste nicht mehr, wie ich die Miete bezahlen solle. Deshalb habe ich Wohngeld beantragt. Das ist erstmal ein mega aufwendiger und langwieriger Prozess: Der Antrag hat zwölf Seiten, dann brauchen die noch verschiedene Bescheide. Letztendlich hat es fast sechs Monate gedauert, bis ich die Zustimmung bekam. Die Zeit hätte ich nicht geschafft, hätten mir nicht meine Eltern mal ausgeholfen, die mich aber auch nicht dauerhaft unterstützen können.

Zwischen 130 und 150 Euro Wohngeld habe ich dann letztendlich monatlich bekommen, und damit ging es grade so. Dann wollte ich eine Verlängerung beantragen und die Scheiße ging los: Nachdem ich die notwendigen Unterlagen mit geschwärzten Kontoauszügen hingeschickt habe, wollten sie direkt die Kontoauszüge nochmal ungeschwärzt, was ich verdammt frech finde. Bei JEDER Überweisung auf mein Konto in den vergangenen Monate musste ich begründen, woher das kam. Das waren aber vor allem die kleinen Einmalzahlungen, die ich von meinen Eltern bekommen habe, um die Wartezeit auf das Wohngeld zu überbrücken. Ohne dieses Geld hätte ich z.B. einfach nicht einkaufen gehen oder meine Semestergebühren bezahlen können.

Dann kam plötzlich ein Brief, dass ich zu viel Geld verdiene: Die Aushilfen meiner Eltern wurden als überschüssiges Einkommen gewertet und ich wurde aufgefordert 450 Euro zurückzuzahlen. Geld, das ich absolut nicht habe! Um in der Lage zu sein überhaupt einen Widerspruch einzulegen, musste ich sogar erstmal noch Geld von meinem Konto zurücküberweisen. Geld, was mir dann natürlich erstmal für die restlichen Wochen im Monat gefehlt hat. So teuer wie alles grade ist, hatte ich viel zu wenig Geld und musste mir von Freunden etwas bar auf die Hand leihen. Überweisen durften sie es mir ja nicht, dann wäre ja wieder zu viel auf dem Konto gewesen. Es ist so lächerlich. Du MUSST den Staat also verarschen, um zu überleben – was für eine Scheiße.

Bewilligt wurde der Antrag letztendlich nicht, und ich habe keine Ahnung wie ich mich weiterhin finanzieren soll, vor allem wenn ich jetzt sogar verschuldet bin. Das sind wirklich solche Schweine. Ich bin nicht Bafög-berechtigt, ich bin jetzt anscheinend auch nicht mehr Wohngeldberechtigt, und meine Eltern können mir nicht ewig aushelfen.

Seit Beginn des Angriffskriegs von Russland auf die Ukraine und den ohnehin schon länger steigenden Energie- und Lebensmittelpreisen, wird in der Bundesregierung ja viel darüber diskutiert, wie man Studenten entlasten könnte und muss. Wie hast du diese ganzen „großen Hilfsvorhaben“ bis jetzt persönlich erlebt?

Also wenn es um uns Studierende ging, wurde immer übers Bafög gesprochen und über eine Erhöhung. Die ganzen Studierenden wie ich, die aus unterschiedlichsten Gründen kein Bafög bekommen, haben da halt überhaupt nichts von. Die fallen einfach durch.

Ich habe jetzt einmal diese Energiepauschale bekommen, und die brauch ich jetzt direkt, um das Wohngeld zurückzuzahlen, das ich dem Staat ja jetzt anscheinend schuldig bin. Ich habe das Gefühl, ich falle komplett durch’s Raster, konstante Hilfe gibt es nicht. Ich habe gefühlt keinen Anspruch auf gar nichts. Und ich bin ja sogar noch relativ gut dran, im Notfall konnten mir meine Eltern Geld für den Einkauf überweisen. Was machen die Studenten, deren Eltern nicht mal das können?

FDP-Politikerin Gyde Jensen sagt, der Zuschuss sei nur „ein Teil des wunderbaren Blumenstraußes an Maßnahmen“, von denen junge Erwachsene profitieren. Damit meint sie zum Beispiel das 9-Euro-Ticket und die kürzlich beschlossene Bafög-Reform. Was sagst du dazu?

Leck mich doch. Ja mein Gott, 9-Euro-Ticket war cool, ist aber schon wieder rum und das 49-Euro-Ticket ist einfach viel zu teuer. Und so eine Einmalzahlung von 200, 300 Euro ist für mich grade mal genug, um die Wohngeldschulden zurückzuzahlen, die ich ja anscheinend beim Staat habe. Puff und das ist alles weg, das ist absolut keine Langzeitlösung.