Vergangene Woche Mittwoch sollten in NRW landesweit eigentlich die Abiklausuren losgehen. Wegen Download-Problemen vom Ministerium zu den Schulen musst jedoch am Vorabend der Klausuren um 20:30 Uhr die Reißleine gezogen werden und das Ministerium verkünden: Alle Klausen sind abgesagt und um zwei Tage verschoben. Auslöser des Problems war die Umstellung auf eine neue IT-Infrastruktur durch die Behörden.
Die Wut unter den betroffenen Abiturienten, den Eltern und Lehrern in NRW darüber ist verständlicherweise groß, dass aus heiterem Himmel und auf den letzten Drücker die Abiklausuren verschoben wurden - und dazu noch auf einen Tag der mit angekündigten Bahnstreiks und dem Zuckerfest zusammenfällt. Die Maßnahme war laut Schulministerin Dorothee Feller notwendig geworden, nachdem die Schulen nicht in der Lage waren, die Abiklausuren aus den dafür vorgesehen Portalen herunterzuladen.
Dafür sollen vor allem zwei Gründe vorgelegen haben: Zum einen wurde am Tag vorher durch den IT-Dienstleister der Behörden eine neue IT-Infrastruktur ausgerollt, die auf eine „Zweifaktoren-Authentifizierung“ (wie z.B. beim Online-Banking) beruht und die zuvor nicht getestet war. Auf der anderen Seite scheiterte der „Plan B“ der Behörde angeblich daran, dass sie einen Download-Link zu Zugangsdaten für den Download herumschickte, als dieser erst zu 96 % hochgeladen war.
Ob diese Darstellung jetzt so stimmt oder nicht, sei dahin gestellt. Klar ist, wegen des Versagens der Behörden wurde 72.000 Schülern die Grundlage für eine gute Vorbereitung von ihrem Abitur genommen. Gleichzeitig jedoch muss man dem Schulministerium zu Gute halten, dass es eine realitätsnahe Vorbereitung auf die für die Schüler möglicherweise anstehende Zeit als Studierende in NRW gibt: Denn auch hier haben zuletzt die Digitalisierungs-Bemühungen dahin geführt, dass der Großteil der Verwaltung der Uni Duisburg-Essen über mehr als zwei Monate lahmgelegt war, Studenten sich beispielsweise nicht zu Klausuren oder Kursen einschreiben konnten und persönliche Informationen ins Internet gerieten, nach dem diese von Hackern ins Visier genommen worden war.
Gleichfalls von Hackerangriffen betroffen ist seit heute auch die Infrastruktur von 80 Krankenkassen, wie etwa der DAK, weil der in Essen ansässige IT-Dienstleister Bitmarck seine gesamte Technik herunterfahren musste. Das Ausmaß der Schäden ist bisher unklar. Davon betroffen sind neben der elektronischen Gesundheitskarte auch die digitalen Patientenakten für Versicherte u.a. der Allianz, Signal Iduna, hkk, DAK, KKH, Mobil BKK, svlfg, BKK und der IKK. In der Frage der „digitalen Patientenakte“ mag dies aktuell nicht so tragisch sein, da weniger als 1 % der Patienten eine solche haben, nach Plänen von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) soll sich dies bis 2025 jedoch auf 80 % (!) erhöhen. Sein Plan um dies zu erreichen ist eine ungefragte Erfassung der Daten bis Ende kommenden Jahres für alle gesetzlich Versicherten, es sei denn, man widerspricht explizit. Wohin diese „Digitalisierung um jeden Preis“ früher oder später führen wird, ist angesichts der sonstigen „Erfolgsgeschichte“ der „Digitalisierungsprojekte“ deutlich: Hacker werden Zugriff auf sehr sensible Daten - wie Krankheitsgeschichte, Röntgenbilder, Unterlagen zu Schwangerschaften, etc. haben – und gleichzeitig wird es, weil alles digital ist, in einem Moment wo die Infrastruktur nicht erreichbar ist, Ärzten oder Anderen nicht möglich sein auf die lebensnotwendigen Informationen zuzugreifen. Ganz außen vor gelassen, dass es natürlich auch kommerzielle Unternehmen, wie beispielsweise Google über ihren Playstore und Apple über ihren App-Store leichter haben werden, die Daten aus den Apps der Krankenkassen bzw. vom Smartphone abzugreifen und für ihre Algorithmen und alle Interessierten zu verwerten, wie sie es bereits jetzt mit allen Daten tun, die sie in die Hände kriegen.