Am 7. Januar 2025, dem 20. Todestag von Oury Jalloh, versammelten sich etwa 800 Menschen am frühen Nachmittag vor dem Dessauer Hauptbahnhof, um des Toten zu gedenken und gegen die ausgebliebene Aufklärung durch die Justiz zu protestieren. Unter den De­mons­tran­t:in­nen waren viele junge Menschen.

Zu Beginn der Kundgebung sprach Saliou Diallo, Ourys Bruder. Der heutige Tag sei ein „Jahrestag des Kampfes um die Wahrheit“, sagte er. Die „Falschdarstellung der Geschichte meines Bruders hat unseren Schmerz vergrößert“, sagte er. „Die Gerichte behaupten weiterhin, es handele sich um Selbstmord und sie schlossen eine Beteiligung der Polizei aus“, so Diallo. Die Polizei werde von der Justiz geschützt und „behandelt, als sei sie unfehlbar“. Diallo kritisierte auch, dass Familien der Opfer von Polizeigewalt ohne Unterstützung zurückbleiben und mit den Folgen der Todesfälle meist allein zurechtkommen müssten.

Gegen 15 Uhr setzte sich der Demonstrationszug in Bewegung, die Demonstrierenden zogen vor das Gebäude der Staatsanwaltschaft und riefen „Blut, Blut, Blut an euren Händen“. Dutzende hatten Feuerzeuge mitgebracht, die sie auf den Eingang des Justizgebäudes warfen, das von Polizisten bewacht wurde. Eben diese Staatsanwaltschaft behauptet bis heute, dass Jalloh seine Matratze mit einem bei der Durchsuchung übersehenen Feuerzeug selbst angezündet haben soll, obwohl eine große Zahl von Indizien, Belegen, Untersuchungen und Beweisen diese Annahme widerlegt. Eine ganze Reihe von Gutachtern hat einen Selbstmord ausgeschlossen. Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar 2023 den Fall jedoch als juristisch abgeschlossen erklärt. Eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ging angeblich nicht fristgerecht in Straßburg ein. Der Gerichtshof lehnte den Fall deshalb ab. Es gibt mindestens zwei ähnlich gelagerte Todesfälle im Zusammenhang mit dem Dessauer Revier: 1997 starb hier Hans-Jürgen Rose und 2002 Mario Bichtemann.

 

Die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh schrieb am 7. Januar:

Heute vor 20 Jahren verbrannte Oury Jalloh, festgekettet an Händen und Füßen auf einer schwer entflammbaren Matratze, im Polizeirevier Dessau. Auch 20 Jahre später bleiben die Umstände seines Todes juristisch ungeklärt und die Täter auf freiem Fuß.

Seit dem 7. Januar 2005 rufen tausende Menschen in den Straßen von Dessau „Oury Jalloh – Das war Mord“. Der Kampf um die Wahrheit setzte sich ab 2007 in den Gerichtssälen von Sachsen – Anhalt und am Bundesgerichtshof in Karlsruhe fort. Zuletzt hatte das Bundesverfassungsgericht im Februar 2023 mit einem abschließenden Urteil einen Mord in der Zelle 5 verleugnet.

Juristisch ist der Fall in Deutschland somit vorerst abgeschlossen. Staatsanwälte, Richter und Sonderberater des Landtages von Sachsen-Anhalt haben dafür gesorgt. Die Fakten, welche die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh mit Hilfe internationaler Experten geschaffen hat, sprechen jedoch eine eindeutige Sprache: Das war Mord! Ein Mord, der kein Mord sein darf.

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Doch Mord verjährt nicht! Das bedeutet, auch im Fall von Oury Jalloh müssen die Ermittlungen wieder aufgenommen werden, sobald es neue Beweise gibt. Diese gibt es bereits im Fall von Hans – Jürgen Rose, der im Dezember 1997 nach einem Aufenthalt im Polizeirevier Dessau an den Folgen einer schweren körperlichen Misshandlung starb.

Sein ungeklärter Tod ist Teil des Oury Jalloh – Komplexes, an welchem das Recherche – Zentrum e.V. arbeitet. Dieses präsentierte am 28. März 2024 unter anderem den Beweis für die Manipulation der Ermittlungsakte.

Familie Rose hat Anzeige wegen Mordes gegen vier der damaligen Dessauer Polizeibeamten gestellt, welche momentan von der Staatsanwaltschaft Halle bearbeitet wird.

Das bedeutet, dass der Fall Oury Jalloh zwar juristisch abgeschlossen ist, der Komplex hingegen nicht. Die Arbeit an der Aufklärung der Todesfälle von Jürgen Rose und Mario Bichtemann wird weitere Beweise an die Öffentlichkeit bringen.

Der Kampf um Aufklärung und Gerechtigkeit wird so lange dauern, bis der Oury Jalloh – Komplex aufgelöst ist und die Täter zur Verantwortung gezogen werden!