Ein Thema, das in der öffentlichen Debatte über die Maßnahmen gegen die Ausbreitung des von SARS-Cov-2 oft in den Hintergrund gerät ist die Frage der rechtlichen Grundlage. Immerhin sollen wir in einem sogenannten Rechtsstaat leben. Gab es doch erst letztes Jahr eine ganze Kampagne unter dem Motto „Wir sind Rechtsstaat“. Doch während jetzt mit dem Zeigefinger auf Ungarn und Viktor Orban gezeigt wird, verlieren viele den Blick für das, was gerade vor ihrer eigenen Haustür passiert.
Der Bundestag hat sich förmlich selber beschnitten und wieder einmal demonstriert, dass er nicht viel mehr als eine Karikatur und Laientheater ist. Die Abgeordneten haben selber erklärt, dass man sie gar nicht alle braucht um Entscheidungen zu treffen. Es reicht laut Meinung der angeblichen „Volksvertreter“ ein Viertel von ihnen.
Die Regierungsparteien sehen das alles noch mal ein bisschen anders, hier werden Entscheidungen über Maßnahmen einfach direkt als Vereinbarung unter den Ministerpräsidenten und der Bundeskanzlerin getroffen. Das Parlament wird nicht einmal gefragt. Das ganze Land wird gelenkt und kontrolliert über sogenannte Allgemeinverfügungen und Rechtsverfügungen, Dekrete und der gleiche mehr. Als Krönung des ganzen wird festgelegt – während Maßnahmen durchgesetzt werden, die nach dem Zweiten Weltkrieg auch einmalig sind, aus gutem Grund – dass das Volk nicht demonstrieren darf. Auch hier wieder Erinnerungen an die Zeit vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs.
Eine parlamentarische Demokratie aber hat ihre Grundlage offiziell in der Verfassung, das bedeutet in der BRD das Grundgesetz (GG). In der deutschen Verfassung sind unter anderem die Versammlungsfreiheit, die Unverletzlichkeit der Wohnung, Postgeheimnis usw. festgehalten. Diese gelten für alle deutschen Staatsbürger. Das ist der „Idealzustand“ einer bürgerlichen Demokratie. Natürlich gibt es Einschränkungen dieser Verfassungsrechte für einzelne als „kriminell“ angesehene Individuen.
Auch gibt es Einschränkungen dieser Freiheiten, die im Infektionsschutzgesetz (IfSG) festgehalten werden. Der vollständige Text in §28 lautet folgendermaßen:
„§ 28 Schutzmaßnahmen
(1) Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider1 festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. Unter den Voraussetzungen von Satz 1 kann die zuständige Behörde Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten und Badeanstalten oder in § 33 genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon schließen. Eine Heilbehandlung darf nicht angeordnet werden. Die Grundrechte der Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes), der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 des Grundgesetzes), der Freizügigkeit (Artikel 11 Absatz 1 des Grundgesetzes) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes) werden insoweit eingeschränkt.
(2) Wird festgestellt, dass eine Person in einer Gemeinschaftseinrichtung an Masern erkrankt, dessen verdächtig oder ansteckungsverdächtig ist, kann die zuständige Behörde Personen, die weder einen Impfschutz, der den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission entspricht, noch eine Immunität gegen Masern durch ärztliches Zeugnis nachweisen können, die in § 34 Absatz 1 Satz 1 und 2 genannten Verbote erteilen, bis eine Weiterverbreitung der Krankheit in der Gemeinschaftseinrichtung nicht mehr zu befürchten ist.
(3) Für Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 gilt § 16 Abs. 5 bis 8, für ihre Überwachung außerdem § 16 Abs. 2 entsprechend.“ (Hervorhebungen von uns)
Was bedeutet das konkret? Ist eine Person infiziert ermächtigt sich der deutsche Staat dazu diese Person in Quarantäne zu versetzen und dafür ihre Grundrechte die im GG der BRD festgehalten sind einzuschränken. Was aber auch ausdrücklich gesagt ist, ist dass es sich hierbei um „Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider“ handeln muss. In Paragraph 32 des IfSG wird zusätzlich den Regierungen der Bundesländer in der BRD das Recht zugesprochen sogenannte Rechtsverordnungen zu erlassen:
„§ 32 Erlass von Rechtsverordnungen
Die Landesregierungen werden ermächtigt, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen. Die Grundrechte der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz), der Freizügigkeit (Artikel 11 Abs. 1 Grundgesetz), der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 Grundgesetz), der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Abs. 1 Grundgesetz) und des Brief- und Postgeheimnisses (Artikel 10 Grundgesetz) können insoweit eingeschränkt werden.“ (Hervorhebungen von uns)
Die „Maßnahmen“ sind also „maßgebend“. Das heißt die Maßnahmen rechtfertigen sich selber und die Einführung von Maßnahmen geben das Maß für die eingeführten Maßnahmen. Das ist eine absolute Tautoogie, die sich ewig weiter führen lassen könnte. Das zeigt was für eine Gummigesetzgebung hier angewandt wir, um alles mögliche zu rechtfertigen.
Eine Anmerkung dazu muss sein, dass die meisten Bundesländer in der aktuellen Situation gar nicht über diese Rechtsverordnungen die Maßnahmen durchsetzen, sondern nur auf der Grundlage von Allgemeinverfügungen. So hat als eines der wenigsten Bundesländer Bremen diese Allgemeinverfügung in eine Rechtsverordnung umgewandelt. Diese Maßnahme war präventiv um gestellten Anträgen vor Gericht zuvorzukommen, die sich gegen die getroffenen Maßnahmen richteten. Die Landesregierungen wissen also ganz genau, dass sie sich rechtlich auf dünnem Eis bewegen.
Doch zurück zur Frage der Versammlungsfreiheit. Wie oben gezeigt ist Paragraph 28 darauf ausgelegt die Freiheiten von einzelnen Personen einzuschränken, die infiziert sind und andere deswegen anstecken könnten. Doch was wird mit der sogenannten Kontaktsperre gemacht? Versammlungen über zwei Personen sind verboten. In den meisten Fällen wird dies so ausgelegt, als ob das jede Form von Demonstration oder Kundgebung betrifft oder sie werden direkt verboten. Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ist also nicht nur „eingeschränkt“ sondern schlichtweg abgeschafft. Rechtlich nach Paragraph 28 des IfSG bedeutet dies, dass alle und jeder unter Verdacht gestellt wird infiziert zu sein und potenziell andere zu infizieren. Das ist nichts anderes als eine völlige Willkür und hat mit der Respektierung der Grundrechte die laut GG jedem zustehen überhaupt nichts zu tun. Es müsste also eigentlich – um den theoretischen Fall zu beschreiben – jede Person einer Versammlung auf eine Corona-Infektion getestet werden und dann tatsächlich Infizierte unter die erlaubten Maßnahmen gestellt werden. Selbstverständlich hat das nichts mit der Realität zu tun. Aber das haben viele Behauptungen die gerade in regelrechter Panikmache verbreitet werden auch nicht.
Auf Grundlage eines Generalverdachts der Infektion gegen alle 83 Millionen Menschen, die in Deutschland leben, werden also mit diesem Gummiparagraphen die Grundrechte und insbesondere die Versammlungsfreiheit in der BRD eingeschränkt bzw. einfach über Bord geworfen.
Die Rechtsverordnung in Bremen vom 3. April stellt hier eine Ausnahme dar, in Fragen des Versammlungsrechts ist hier in § 6 ausdrücklich besagt:
„(1) Veranstaltungen, Feiern sowie sonstige Menschenansammlungen in der Freien Hansestadt Bremen sind verboten.
(2) Öffentliche oder nichtöffentliche Versammlungen nach Artikel 8 des Grundgesetzes (unter freiem Himmel oder in geschlossenen Räumen) sind von dem Verbot nach Absatz 1 ausgenommen. Sie sind, sofern es sich nicht um eine Eil- oder Spontanversammlung handelt, der zuständigen Versammlungsbehörde spätestens 48 Stunden vor ihrer Bekanntgabe fernmündlich, schriftlich, elektronisch oder zur Niederschrift anzuzeigen. Die zuständige Versammlungsbehörde kann die Versammlung zum Zwecke der Verhütung und Bekämpfung des Coronavirus SARS-CoV-2 verbieten, beschränken oder mit Auflagen versehen.“ (Hervorhebungen von uns)
Das klingt auf dem Papier sehr liberal und „rechtsstaatlich“, doch was bedeutet das in der Praxis? Nichts anderes, als dass die gesamte Willkür dem Ordnungsamt und der Polizei überlassen wird. Das heißt die Landesregierung wäscht ihre Hände in Unschuld und die Polizei und das Ordnungsamt können in der Zeit munter Versammlungen verbieten. Im gleichen Bundesland gab es bereits vor dem Erlassen irgendeiner Rechtsverordnung oder Allgemeinverfügung ein markantes Beispiel. Eine Kundgebung der „Initiative Freiheit für alle politischen Gefangenen“ meldete am 21. März eine Kundgebung an, die nur zwei Tage vor der Durchführung von der Chefin des Ordnungsamtes verboten wurde, nachdem zuvor die Erlaubnis ausdrücklich erteilt worden war. Die Polizei besetzte präventiv den Kundgebungsort mit einem massiven Aufgebot.Mit tatsächlicher Versammlungsfreiheit hat das überhaupt nichts zu tun. Die Rechtsverordnung ist also nichts anderes als ein eine schön klingende Worthülse.
Der gesamte Artikel 8 des GG, der die Versammlungsfreiheit in der BRD festlegen soll, ist inzwischen nichts anderes als eine solche Worthülse. Immer öfter gibt es Berichte darüber wie Demonstrationen einfach willkürlich verboten werden oder die Polizei vermehrt und völlig überzogen gegen Demonstrationen und Kundgebungen vorgeht. Das Vorgehen der Polizei hat dabei offenbarlich überhaupt nichts mit Infektionsschutz zu tun, wie Berichte und Bilder von diesen Kundgebungen und Demonstrationen belegen.In Baden-Württemberg wurde ein Mann verhaftet und eine Hausdurchsuchung bei ihm durchgeführt, weil er zu einer Demonstration gegen die Maßnahmen der Landesregierung aufgerufen hat. In Schwerin wurde eine Demonstration unter starken Auflagen erlaubt. Dazu gehörten eine begrenzte Teilnehmerzahl, die Umwandlung in eine stationäre Kundgebung und dass der Veranstalter die Namen und Adressen der Teilnehmer aufnimmt. Anonymität adieu.
Gegen die Beschneidung der Grundrechte regt sich auch unter einigen Intellektuellen langsam Widerstand. So sagte ein Professor für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Frankfurter Goethe-Universität der FAZ:
„‚Bei den Einschränkungen, die wir derzeit erleben, handelt es sich sicher um den massivsten kollektiven Grundrechtseingriff in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland‘… ‚Wenn man sich anschaut, welche Grundrechte aus dem Katalog des Grundgesetzes derzeit überhaupt noch in Kraft sind, ist es nicht einmal die Hälfte, wahrscheinlich noch weniger.‘ … ‚Wenn Versammlungen verboten werden, sind folglich auch jene Demonstrationen verboten, die sich gegen die aktuelle Politik der Beschränkungen richten.‘“
Zur Zeit werden die Arbeiterklasse und das Volk mit immer mehr Armut und Repression überzogen. Entlassungen, Kurzarbeit, Aussperrungen aus den Betrieben, Beschneidung der grundlegenden demokratischen Rechte, sie sollen für die Wirtschaftskrise des imperialistischen System bezahlen und alles wird gerechtfertigt mit der angeblichen Gesundheitskrise. Und das Volk darf nicht auf die Straßen gehen und demonstrieren, es dürfen keine Streikkomitees zusammentreten usw. Der DGB versucht sogar den 1. Mai abzusagen, in dem er alle seine Veranstaltungen an diesem Tag abgesagt hat. Dafür müssen die Revolutionäre in diesem Land die passende Antwort finden und geben. Die Diktatur der Bourgeoisie zeigt sich deutlicher als jemals in den letzten Jahren. Sie zeigt, dass sie sich an keine Regeln und Gesetze hält und eben auch nicht an die eigene Verfassung.
---------