Seit dem 06. Januar diesen Jahres stehen Verdi und die Führung der Deutschen Post in Verhandlungen über einen neuen Tarifvertrag für die rund 160.000 Arbeiterinnen und Arbeitern die u.a. als Postboten, Paketauslieferer und Lageristen in den Verteilzentren arbeiten.

Nun nach vier Verhandlungsrunden sollen sich die Gewerkschaft Verdi und die Deutsche Post-Spitzen auf ein Angebot geeinigt und weitere Streiks abgewendet haben, wenn man den bürgerlichen Medien wie Tagesschau, Süddeutsche Zeitung  und anderen Glauben schenken will.

Doch in Wahrheit hat die sozialdemokratische Verdi-Führung , man muss sagen: mal wieder, die Forderungen der Arbeiterinnen und Arbeiter und ihren Streik verraten. In die Verhandlungen ist die Gewerkschaft mit den Forderungen nach 15% mehr Lohn als Inflationsausgleich und Beteiligung an den Profiten des Unternehmens herangegangen. Denn die Deutsche Post, gilt als einer der Krisengewinner schlechthin, welche ihre Milliarden an Gewinnmargen noch zusätzlich damit steigern konnte, dass die letzte Tarifrunde im Jahr 2020 nur zu mageren 2% Lohnsteigerungen bei den Beschäftigten geführt hat.

Zusätzlich forderte Verdi eine Erhöhung der Ausbildungsvergütung für Azubis und Studierende um 200 Euro, sowie eine Tariflaufzeit von 12 Monaten, damit in Zeiten der Krisen und schnell wachsenden Inflation, auch schnell nachverhandelt werden kann und die Arbeiter nicht in dem Tarifvertrag gefangen sind. Hinzu wurde eine Form des steuerfreien Coronabonus für alle Beschäftigten gefordert.

Nachdem die Deutsche Post in drei Verhandlungsrunden die Forderungen der Verdi ausgeschlagen, lächerliche Gegenangebote gemacht hat und auch auf die in der BRD üblichen Warnstreiks nicht reagiert hatte, stimmten zwischen dem 20. Februar und dem 8. März die 160.000 Post-Arbeiter in einer Urabstimmung über einen unbefristeten Streik ab. Der Post-Vorstand drohte als Reaktion auf die Urabstimmung daraufhin mit Outsourcing und Ausgliederung des Briefgeschäfts. Trotz dieser Drohungen und Einschüchterungen stimmten aber ganze 85,9 Prozent der Befragten Verdi-Mitglieder gegen das Angebot der Deutschen Post und für einen unbefristeten Streik.  Das heißt in der Regel einem Streik der erst dann endet, wenn die Forderungen der Arbeiter erfüllt werden.

Doch statt nach den unfruchtbaren Verhandlungen auch wirklich in den Streik zu treten, kündigte Verdi-Verhandlungsführerin Andrea Kocsis an mit dem Ergebnis der Urabstimmung erneut am 10. März in Verhandlungen mit der Deutschen Post zu gehen. Im Gegensatz zu früheren Verhandlungstagen, hielten Verdi und die Deutsche Post ihr Treffen geheim, womit den Arbeitern die Chance verwehrt blieb zum Ort des Treffens zu mobilisieren und ihren Forderungen, kämpferisch Nachdruck zu bereiten und ihre Streikbereitschaft zu zeigen.

Das Ergebnis auf das sich geeinigt wurde ist eine Nullrunde für alle Arbeiterinnen und Arbeiter, bei der die Verdi-Führung noch versucht das Ergebnis schön zu reden. Im Jahr 2023 soll es zu keiner Lohnerhöhung für die Beschäftigten kommen. Stattdessen gibt es zwei Formen der Einmalzahlung, bei der einmal im April 1.020€ ausgezahlt werden, zusätzlich werden von Mai 2023 bis März 2024  180 Euro Netto als Teil der Inflationsausgleichssonderzahlung auf die Konten der Beschäftigten überwiesen. Was erst einmal gut klingt ist ein großer Rückschritt für die Post-Arbeiter. Die Sonderzahlung im April und die gestaffelte Zahlung in 10 Monaten sind keine tabellenwirksame Erhöhungen der Löhne. Das heißt, dass es sich hier nicht um eine festgeschriebene, kontinuierliche Lohnerhöhungen handelt, sondern um steuerfreie Sonderboni die nach ihrer Laufzeit bei den Arbeiterinnen und Arbeitern wieder fehlen.

Dazu lobt sich die Verdi-Führung selber für eine achtmonatige Vorziehung der tabellenwirksamen Lohnerhöhung auf April 2024. Das ist aber nur insofern eine Vorziehung der Lohnerhöhung, wenn man vom unverschämten Angebot der Arbeitskäufer ausgeht. Die Post hatte vorgesehen erst im Dezember 2024 wieder eine Lohnerhöhung zuzulassen, Verdi forderte aber 15 % mehr Lohn für eine Tariflaufzeit von 12 Monaten für das Jahr 2023.
Zwar bekommen die „Postler“ jetzt ab April 2024 konkret 340 Euro mehr in der Tabelle, dennoch erfüllt das aber weder die Forderungen der Arbeiter, noch gleicht diese Erhöhung die Inflation völlig aus.

Denn auch wenn in bürgerlichen Medien der Prozentwert der Inflation gerade bei 8,7 angegeben wird, handelt es sich dabei um eine Durchschnittsrechnung. Bei den Nahrungsmittel liegt die Inflation nach offiziellen Angaben im Januar 2023 bei 20,2% gegenüber dem Vorjahresmonat, bei Molkereiprodukten und Eiern sind es 35,8% und bei Getreideerzeugnissen 22,7%. Alleine diese Teuerungen für Nahrungsmittel, ohne die gestiegenen Energiepreise zu berücksichtigen, führt uns das schon vor Augen, dass das von der Verdi-Tarifkommission angenommene Angebot der Deutschen Post zu enormen Reallohnverlusten bei den Arbeiterinnen und Arbeitern führen wird. Denn die angesprochenen 340 Euro führen in den Entgeltgruppen 1 bis 3 nur bis zu 16,1% und 11 % Lohnerhöhungen, die von der Inflation gefressen werden. Die Taz rechnet in einem Beispiel sogar folgende Konsequenzen aus: „Eine ledige Postbeschäftigte mit bisherigem Bruttoeinkommen von 3.000 Euro wird 2023 etwa 8,2 Prozent mehr Lohn erhalten, auf die gesamte Tarifvertragslaufzeit gerechnet bis Ende 2024 sind es insgesamt etwa 9,2 Prozent. Das ist deutlich entfernt von den 15 Prozent, die Verdi nur für 2023 gefordert hatte.“
Das Ergebnis ist also kein Sieg für die Post-Arbeiter, sondern ihre weitere Verarmung, während die Deutsche Post AG neue Rekordeinnahmen verzeichnet.

Die versprochenen Verbesserungen der Verdi-Führung erweisen sich erst Recht dann als Augenwischerei, wenn man berücksichtigt, dass der neue Tarifvertrag eine Laufzeit von 24 Monaten hat. Also genau so lange wie der Post-Vorstand sich das gewünscht hat. Die Methode der Gewerkschaftsspitze ist augenscheinlich: Nach drei Verhandlungsrunden und Warnstreiks in der die Deutsche Post AG keine Angebot gemacht hat, das auch nur ansatzweise annehmbar gewesen wäre, schachert die Verdi-Führung mit dem starken Ergebnis von knapp 86% für einen unbefristeten Streik um erneut in geheime Verhandlungen zu treten, die dieses mal für die Öffentlichkeit und vor allem für die Post-Arbeiter unbekannt waren, um mit der Drohkulisse des unbefristeten Streiks zwischen den Arbeitern und den Kapitalisten zu versöhnen und den Post-Vorstand zu einem Angebot zu bewegen, welches die Gewerkschaftsführung irgendwie den Arbeiterinnen und Arbeitern unterbreiten kann. Dieses Vorgehen ist kein Zufall, sondern entspringt der Idee der Sozialpartnerschaft, der Klassenkollaboration zwischen Arbeitern und Kapitalisten mit Gewerkschaften als vermittelndes Element, welches die Interessen der Kapitalisten gewährleisten. Das ist Korporativismus.

Viele Post-Arbeiter die bei Verdi organisiert sind, teilten in den sogenannten Sozialen Medien wie Twitter ihre Enttäuschung und Wut und manch einer machte seinen Austritt öffentlich, weil er sich verraten fühlte.
Doch so muss es nicht sein, wir können diesen Teufelskreislauf durchbrechen, dafür brauchen wir kämpferische Gewerkschaften die auf dem Klassenstandpunkt des Proletariats stehen und unversöhnlich für die Interessen und Forderungen der Arbeiter kämpfen. Wie es aussehen kann, wenn Gewerkschaften auch nur zum Teil wirklich für die Arbeiter einstehen, kann man gerade in Frankreich sehen, wo Millionen Arbeiter für ihre Rechte auf die Straße gehen.

Aber auch der Post-Streik muss nicht vorbei sein, im Gegensatz zu dem was die bürgerlichen Medienmonopole erzählen, ist die Tarifeinigung noch nicht durch. Zwischen dem 15. und 30. März stimmen die 160.000 Post-Beschäftigten in einer erneuten Urabstimmung über die Annahme des Ergebnisses ab.

Es ist zu hoffen, dass die Post-Arbeiter den Betrug in der Urabstimmung zurückweisen und in den unbefristeten Streik für die Erfüllung aller Forderungen treten. Derweil fordern verschiedene Gewerkschaftsinitiativen und kämpferische Einzelpersonen in der Verdi öffentlich das Angebot abzulehnen.