Anfang April wurde öffentlich, dass der alte brasilianische Staat mithilfe seines Polizei- und Militärapparats ein Massaker auf das Camp Manoel Ribeiro plant.
In einer Erklärung der LCP (Liga dos Camponeses Pobres – Liga der armen Bauern) Rondônia und Westamazonien und der Nationalen Komission der Liga der armen Bauern wurde zu einer internationalen Solidaritätskampagne von allen demokratischen und fortschrittlichen Kräften, Organisationen und Parteien aufgerufen.
Bereits im Jahre 1995 entschieden sich über 600 arme und landlose Bauernfamilien ein Stück der Hacienda Santa Elina in Corumbiara, einer Kommune im brasilianischen Bundesstaat Rondônia, zu besetzen, um ein neues Leben unabhängig vom Großgrundbesitz und dem alten brasilianischen Staat zu beginnen. Nach etwa einem Monat entfesselte der alte brasilianische Staat ein Massaker an den Bauernfamilien, um sie zu vertreiben. Dabei wurden vier der Bauern ermordet, darunter ein siebenjähriges Mädchen, zahlreiche Gefangene wurden genommen, die niemals ein gerechtes Verfahren bekamen und Folter ausgesetzt waren.
Erste Landbesetzung der Hacienda Santa Elina im Jahre 1995
Unter der Führung der Liga dos Camponeses Pobres (LCP)- Liga der armen Bauern eroberten zahlreiche Bauernfamilien nach fast 26 Jahren das Land zurück und kehrten zurück, um hier im Camp Manoel Ribeiro ein neues Leben anzufangen und weiter gegen den Großgrundbesitz und den alten brasilianischen Staat zu kämpfen. Bereits kurz nach der Besetzung begann der alte brasilianische Staat seine Repressionen gegen die Bauern zu entfalten. Neben einer hohen Polizei- und Militärpräsenz, die für die Familien vor Ort zum Alltag wurde, gab es auch immer wieder gezielte Aktionen gegen die Bauern und die Gebite in der Umgebung, die die Bauern im Camp Manoel Ribeiro unterstützten. Die Kampagne der Polizei trägt dabei den Namen „Frieden auf dem Lande“, was wir sehen werden, eine zynische Bezeichnung der riesigen Repressionskampagne ist und den völkermördischeren Charakter verschleiern soll. Die Kampange wird angeführt vom Gouverneur von Rondônia, dem Militärpolizei-Oberst Marcos Rocha und dem Sicherheitsminister und auch Militärpolizei-Oberst José Hélio Cysneiros Pachá. Dieser war bereits 1995 an dem Massaker an den Bauern beteiligt und wird deswegen „Schlächter von Santa Elina“ genannt.
Im April diesen Jahres spitzte sich der Kampf des alten brasilianischen Staates gegen die revolutionäre Bauernbewegung in Brasilien und besonders gegen das Camp Manoel Ribeiro zu. In einer neuen Offensive deklarierte der alte brasilianische Staat die revolutionäre Bauernbewegung unter der Führung der LCP als bewaffnete Organisation. Ein erster Schritt, denn in seinen letzten Äußerungen sprach der brasilianische Präsident Bolsonaro von „Terroristen“. Seitdem wurde das Gebiet militärisch abgeriegelt, es wurden keine Händler mehr in das Gebiet gelassen, öffentliche Einrichtungen der Bildung und der Gesundheitsversorgung wurden geschlossen. Neben der täglichen Schikane wie unrechtmäßigen Kontrollen, wurden Bombenattrappen, Tränengas und Gummigeschosse gegen die Bevölkerung vor Ort eingesetzt. Dazu wurden einzelne Bauern auch unter Folter nach angeblichen Führern der Bewegung befragt. Zuletzt kam es von Seiten der Polizei zum Einsatz von scharfer Munition gegen die Familien, gepaart mit expliziten Drohungen gegenüber den Menschen, dass man „ein weiteres“ Massaker durchführen werde und die Bauern „wirklich töten“ werde. Dagegen wehrten sich die Bauern entschlossen.
Widerstand gegen die Belagerung des Camp Manoel Ribeiro
Gleich zu Beginn der Kampagne wurde von den Genossen der LCP aus dem Camp Maoel Ribeiro ein Interview sowie weitere Videos veröffentlicht, in denen man eindrücklich sah, wie die Bauern Tag und Nacht ihren Widerstand hochhalten, die die Leser hier noch einmal nachschauen können:
- Familien aus dem Camp Manoel Ribeiro zwingen die Polizei zur Freigabe der Straße
- Bauern schlagen die Polizei in einem Kampf zurück, der die ganze Nacht andauerte
- Bauern leisten tapferen Widerstand und wehren die illegale Räumung der Militärpolizei gegen das Camp Manoel Ribeiro ab (weiteres Video hier)
Obwohl am 12. April der Räumungsbefehl für das Camp Manoel Ribeiro rechtskräftig ausgesetzt wurde, veränderte sich die Situation der Belagerung und der Schikane nicht, wie Genossen berichteten.
Stattdessen ging die Polizei nur noch stärker gegen die Bauernbewegung vor, nicht nur im Camp Manoel Ribeiro, sondern auch im ganzen Land. So wurde am 15. April der Bauer Jerlei im Gebiet Tiago dos Santos im Auftrag von Landbesitzern ermordet.
Genosse Jerlei nach seiner Ermordung durch die Reaktion
Die Repressionen gegen das Camp Maonoel Ribeiro weiteten sich auch auf die Umgebung aus. Illegale Hausdruchsuchungen bei vermeintlichen Unterstützern wurden von der Polizei durchgeführt, wobei klare Drohbotschaften hinterlassen wurden. Weiter kam es vermehrt zu Drohanrufen und -nachrichten durch die örtliche Polizei. Alles zusammen mit einer täglichen Belagerung und Aushorchversuchen, bei der explizit mit Fotos nach bestimmten Personen gesucht wurde, denen eine Führungsrolle innerhalb der revolutionären Bauernbewegung vorgeworfen wurde.
Hinterlassene Drohbotschaft „Ich war hier, im Zweifel gehen sie zur Polizei“ nach einer illegalen Hausdurchsuchung bei einer Lehrerin
Belagerung von Polizei um das Camp Manoel Ribeiro
Schilder in Corumbiara gegen die willkürlichen Straßensperrungen: „Es lebe das Volksgericht! Es lebe das Camp Manoel Rebeiro! Es lebe die LCP!"
Desweiteren kam es Mitte April zu mehreren illegalen Verhaftungen, um Informationen von Bewohnern zu bekommen sowie physischen Angriffen auf Bauernfamilien.
Statt zu schweigen, beschlossen die Bauern die Situation weiter öffentlich anzuprangern und veröffentlichten Ende April zwei Interviews. In einem Interview, welches es auf Video gibt, erzählen Jugendliche, wie sie von der Polizei misshandelt wurden. Statt vor dieser ganzen Gewalt einzuknicken, wurde der Kampf der revolutionären Bauernbewegung in ganz Brasilien bestärkt. Zahlreiche Solidaritätsaktionen wurden von revolutionären Bauern und demokratischen und revolutionären landesweit, aber auch international durchgeführt, wie zum Beispiel die Feier zum Tag der Helden des brasilianischen Volkes in Tiago dos Santos zeigte.
Plakat für die Feier der revolutionären Bauern in Tiago dos Santos zum Tag der Helden des brasilianischen Volkes
(weitere Solidaritätsaktionen:
Erklärung unterschiedlicher Volksbewegungen aus Brasilien: hier.
Solidaritätsvideo der Bauern des Camps Renato Nathan in Alagos, Nordosten Brasiliens)
Auch eine Durchsuchung Ende April des Hauptsitzes der LCP Rondônia und Westamazonien durch die Polizei und den Einsatz von Zivilpolizei in der Gegend konnte die Bauern nicht von ihrem Weg abbringen. Wütend darüber wurde in den letzten Tagen des Aprils ein Ladenbesitzer, Pereira da Silva Pandolfi, in der Region Nova Mutum-Paraná, nördlich von Rondônia von der Reaktion erschossen.
Pereira da Silva Pandolfi nach seiner Ermordung durch die Reaktion
In diesen Tagen erschien auch die Erklärung der LCP, wo sie noch einmal verdeutlichten, welch Terror der alte brasilianische Staat gegen sie eröffnete. Stattdessen wuchs die nationale und internationale Solidarität mit der Bewegung weiter an. Zum 1. Mai, dem internationalen Kampftag der Arbeiterklasse gab es auf der ganzen Welt Solidaritätsbotschaften und Aktionen, unter Anderem:
(Solidaritätsbotschaft der Volksfrauenbewegung (MFP), demokratischer Bewegungen und Aktivisten und Aktivistinnen der Region Alemão sowie Anwohner: hier.
Anani Popular Solidarity Committee in Ananindeua: hier.
Studiengruppe für das brasilianische Volk: hier.)
In den ersten Tagen im Mai verschärfte der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro seine Angriffe gegen die revolutionäre Bauernbewegung. Auf einer Videokonferenz kriminalisierte er die LCP und die Bauernbewegung in Rondônia explizit und bezeichnete sie das erste Mal öffentlich als Terroristen. Seitdem nahm die Anwesenheit von schwer bewaffneten reaktionären Kräften der Militärpolizei auf dem Gebiet der ehemaligen Hacienda Santa Elina stark zu, wie auch diese Videos beweisen: 1, 2.
Verbunden mit den verschärften Angriffen wurde die Bedrohung konkreter, dass ein Camp von 15 Bauernfamilien in Messias, im brasilianischen Bundesstaat Alagos, vertrieben werden soll.
Straßenblockade in Messias gegen die drohende Vertreibung eines Bauerncamps
Dass niemand fortschrittliches und wahrhaft demokratisches die Lügen von Jair Bolsonaro glaubte, wurde schnell offensichtlich und es wurden Erklärungen veröffentlicht, die diese Angriffe auf das Schärfste zurückwiesen. Unter Anderem von der APIB - Articulação dos Povos Indígenas do Brasil (Vereinigung der indigenen Völker Brasiliens).
Dennoch wurden die konkreten Anzeichen eines Massakers immer offensichtlicher, so wurden in der Region um das Camp Manoel Ribeiro 10 Lastwagen der Militärpolizei sowie ein Flugzeug gesichtet. Die Solidarität stieg national und international um ein weiteres, sogar eine linksliberale Zeitung „Reporter Brasil“ veröffentlichte einen Artikel und eine Dokumentation über die Genossen.
Nachdem die Militärapparate des alten brasilianischen Staates ihre Präsenz und Schikane weiter erhöht hatten und bereits im März zwei Bauern inhaftiert hatten, kam es am 14. Mai zu einem Angriff auf die Bauern, bei denen insgesamt vier Bauern festgenommen wurden. Obwohl die Beweislage klar für die Bauern spricht, konstruiert der alte brasilianische Staat ein Gefahrenszenario von bewaffneten Bauern, die die Polizei in einen Hinterhalt lockte. Dabei sollen Pistolen und Munition bei den Bauern gefunden worden sein, was die LCP jedoch klar zurückweist. Diese Entwicklung, dass Beweise für die angebliche Bewaffnung der Bewegung gefunden worden, machte nur nochmal klarer, wie sehr die Reaktion nach Gründen sucht, um das Massaker an den Bauern durchzuführen. Die Genossen schrieben dazu in einer Erklärung: „Wie sehr sie es auch versuchen, wie viel Repression, Angriffe und Verleumdungskampagnen auch immer, es wird ihnen nicht gelingen, den Kampf um Land zu stoppen.“
Kurz nach diesen Angriffen veröffentlichte die demokratische Zeitung A Nova Democracia einen Bericht darüber, wie die Bauernfamilien im Camp Manoel Ribeiro arbeiten und leben. Jedem wird beim Lesen des Berichts klar werden, dass es sich hier nicht um „Terroristen“ handelt, wie Bolsonaro versuchte die Genossen zu diffamieren.
Wir werden stärker und besser vorbereitet zurückkommen!
Transparent, welches die Bauernfamilien im Camp Maoel Ribeiro hinterlassen haben: „Wir werden stärker und besser vorbereitet zurückkommen!“
Am Dienstag, dem 25. Mai, veröffentlichten die Volksversammlung des Camps Manoel Ribeiro, das CDRA - Komitee zur Verteidigung der Agrarrevolution, die LCP - Liga der armen Bauern von Rondônia und Westamazonien und die Nationale Kommission der Liga der armen Bauern Brasiliens eine Erklärung mit dem Titel „Wir werden stärker und besser vorbereitet zurückkommen“. (Deutsche Übersetzung hier) In diesem Dokument erklären die Genossen, dass sie sich nach der Entscheidung durch die Volksversammlung des Camps Ende Mai entschlossen haben sich zurückzuziehen. Zu dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der Erklärung, hatten sie bereits das Camp verlassen. Wie die Genossen schreiben, taten sie dies, um ein neues Massaker zu verhindern. Die Kriegsoperation gegen die revolutionären Bauern in dem Gebiet sei in letzter Zeit massiv ausgeweitet worden, Bewohner und Unterstützer seien täglichen Angriffen ausgesetzt gewesen. Mit den letzten Äußerungen Bolsonaros sei die Vorbereitung eines neuen Massakers zu gerechtfertigen versucht worden, einem Freibrief gleichkommend. All diese Repression, all diese Angriffe wurden von den Bauern kraftvoll und mutig zurückgeschlagen. Dennoch wurde die Gesamtsituation analysiert und beschlossen, dass die Genossen sich organisiert zurückzuziehen, was auch bedeutet, dass alle Apparate weiter bestehen. Wir sollten dabei klar haben, dass gemäß der militärischen Prinzipien des Proletariats es eben nicht das Hauptziel ist, Städte und Gebiete zu halten, sondern die eigene Kraft zu erhalten – also Selbsterhaltung – und den Feind zu vernichten, das heißt zu entwaffnen und ihn seiner Widerstandskraft zu berauben. Ein zeitweiser Rückzug dient der Erhaltung der eigenen Kräfte und zur Vorbereitung, um mit einem noch größeren Vorteil in die kommenden Kämpfe zu gehen. Wie die Genossen es sagen: Der Rückzug ist kein Zeichen von Schwäche, im Gegenteil, so schreiben die Genossen, gibt es genügend Menschen, die bereit wären den Preis zu zahlen. Weiter: „Aber nachdem wir die Situation bewertet hatten, die finsteren Pläne dieser Banditenherrscher kannten, das Blut des kämpfenden Volkes zu vergießen, verstanden, dass wir eine siegreiche Reise für die Agrarrevolution vollbracht haben, die so sehr den Manoel Ribeiro geschmiedet hat, und immer noch auf so viel Unterstützung von unserem Volk im ganzen Land und von Genossen aus der ganzen Welt zählen, die wir dankbar grüßen mit dem Versprechen, den Kampf entschlossen fortzusetzen, beschlossen wir, uns organisiert zurückzuziehen, um zu Tausenden zurückzukehren, und bereit, die Latifundien aus der Region zu fegen.“ Der Kampf im Camp Manoel Ribeiro hat die Genossen im Widerstand geschult und nur noch deutlicher gemacht, wie gerechtfertigt der Kampf des organisierten Volkes, bewaffnet mit einer revolutionären Ideologie ist. Sie schreiben: „Diese neun Monate des Kampfes in dem Camp Manoel Ribeiro haben uns eine Menge gelehrt. Die Lektionen, die wir dort gelernt haben, werden uns für die neuen und größeren Schlachten dienen, die kommen werden. Im täglichen Leben des Camps lernten wir, unsere Organisation und Disziplin als Arbeiter zu erhöhen, Probleme zu lösen und alles kollektiv mit unseren eigenen Händen zu tun, ohne überhaupt von der Regierung abhängig zu sein, die nur in den Gebieten anwesend ist, wenn sie die Interessen der Latifundien gegenüber den Bauern garantieren soll.“